Die Geschichte der Selbstverteidigung Krav MagaDer Begriff Krav Maga stammt aus dem hebräischen und bedeutet übersetzt Kontaktkampf. Der Begründer Imrich Lichtenfeld (auch Imi Lichtenfeld oder Imi Sde-Or) wurde 1910 in Budapest geboren und wuchs in Bratislava, der Hauptstadt der Slowakei, auf. Er betätigte sich in vielen Sportarten wie Schwimmen, Gymnastik, Ringen und Boxen. 1929 wurde er sowohl slowakischer Meister im Ringen (Weltergewicht) als auch Sieger der nationalen Boxmeisterschaft. Seine herausragenden körperlichen Leistungen machten Lichtenfeld zum Anführer einer Jugendgruppierung, die sich gegen aufkommende antisemitische Übergriffe im Bratislava der dreißiger Jahre zur Wehr setzte. In zahlreichen Zusammenstößen und Straßenkämpfen, versuchte die Gruppe junger Juden ihr Viertel vor Eindringlingen und einhergehenden Verwüstungen zu verteidigen. Im Jahr 1940 verließ Lichtenfeld aufgrund des immer feindlicher werdenden Klimas seine Heimat und erhielt letztlich im Jahr 1942 eine Einreisegenehmigung für das damalige Palästina. Ab 1944 unterrichtete er israelische Kämpfer der Hagana-Widerstandsbewegung, welche als der Vorgänger der Israeli Defense Forces (IDF) gilt. Seine Fachgebiete waren: Körperliche Fitness, Schwimmen, Gebrauch des Messers und Verteidigung gegen Messerangriffe. In den folgenden 20 Jahren seiner Dienstzeit unterzog er seine Selbstverteidigungs- und Nahkampfmethode einer ständigen Entwicklung und Verfeinerung. Seine heterogene Schülerschaft, bestehend aus Mitgliedern von Spezialeinheiten bis hin zu Verwaltungsangestellten der Streitkräfte, veranlassten ihn dazu, die Techniken so zu konstruieren, dass man selbst bei einem Minimum an Training und suboptimalen körperlichen Voraussetzungen einen beachtlichen Leistungsstand erreichen konnte. Nach seiner aktiven Dienstzeit gründete Lichtenfeld zwei zivile Trainingscenter, um seine Methoden jedem „der es im Ernstfall brauchen könnte“ (Sde-Or, 2012, S.226), zu vermitteln. In seiner neuen Heimatstadt Netanya fand 1974 der weltweit erste nicht-militärische Kurs zur Ausbildung von Krav-Maga-Instruktoren statt. Seither werden Lichtenfelds Techniken in vielen zivilen Bereichen in Israel sowie im Ausland gelehrt. Lichtenfelds stetiger Wunsch seine Methoden einem internationalen Publikum zugänglich zu machen, wurde mit der Gründung der International Krav Maga Federation (IKMF) im Jahr 1996 Rechnung getragen. Bis zu seinem Tod, im Alter von 87 Jahren arbeitete Lichtenfeld immer weiter an der Entwicklung von Krav-Maga-Techniken und -Konzepten.
Krav Maga wird zwecks Vereinfachung oft als Kampfsportart oder Kampfkunst beschrieben. Zwar enthält Krav Maga als eklektisches Selbstverteidigungssystem unter anderen Techniken aus klassischen Kampfsportarten wie Judo oder Taekwondo, unterscheidet sich jedoch in der Intention deutlich von diesen traditionellen Sytemen. Krav Maga dient alleine der Selbstverteidigung in einer Gefahrensituation und ist nicht für sportliche Wettkämpfe geeignet. Im Kampf zur Verteidigung gibt es keine Regeln, und es bedarf einer hohen Entscheidungsorientiertheit sowie energetischer Totalität. Krav Maga ist ein modernes, praxisnahes und bewährtes Selbstverteidigungssystem, das mit Bedacht für die unruhige Welt von heute konzipiert wurde. Geprägt wird es durch seine logische und verständliche Heranführung an Konfrontationen, in deren Mittelpunkt die Selbstverteidigung steht. Was ist Selbstverteidigung und was zeichnet das Training von Selbstverteidigung aus? Selbstverteidigungstraining basiert auf der Vermittlung von Techniken gegen jegliche Art von gewalttätigen Angriffen oder Bedrohungen: hierzu gehören Faustschläge, Fußtritte, Würgegriffe, Angriffe oder Drohungen mit einer Waffe (beispielsweise Messer, Schlagstock, Schusswaffe) oder alltäglichen Gegenständen, die zu einer Waffe umfunktioniert werden können (zum Beispiel Glasflaschen, Kugelschreiber, Gürtel). Weiterhin beschäftigt sich eine ganzheitliche Selbstverteidigung mit den Mechanismen gewalttätiger Auseinandersetzungen, also wie und wann es zu einer Gewaltsituation kommen kann. Krav Maga zielt darauf ab, Gewalt durch vorbeugendes Verhalten zu verhindern oder ihr aus dem Weg zu gehen. Es beinhaltet die Schulung von Fertigkeiten um Gewaltsituationen bereits in ihrer Entstehung zu erkennen und lehrt Methoden der Deeskalation um fortgeschrittene Konflikte in friedliche Bahnen zu lenken. Die im Krav Maga vermittelten Verteidigungstechniken wurden als Weiterführung der natürlichen Reflexe entwickelt und sind somit leicht zu erlernen. Krav Maga nutzt die natürliche Schutzbewegung auf einen Angriff und entwickelt ihn zur ausgereiften Verteidigung weiter. Da es sich bei Krav Maga um eine Selbstverteidigung handelt, gibt es bei den vermittelten Techniken keine Reglementierungen oder andere Einschränkungen. Der Chairman der IKMF Avi Moyal beschreibt die Intention von Krav Maga wie folgt: „Krav Maga is a tool for survival (…). We therefore focus on the nature of confrontations in the real world, the conditions in which they occur, and the various methods for preventing and dealing with such situations“ Quelle: Sde-Or, I. (2012). Krav Maga. Abwehr bewaffneter Angriffe (6. Aufl.). Berlin: Weinmann.
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AutorJulian Schmitt, Sportwissenschaftler KategorienArchive
March 2018
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